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Aktueller Datenschutzbericht:

Warum man sich auf das gesetzliche Auskunftsrecht nicht verlassen sollte

Der bayerische Gesetzgeber hat ja zum Jahresanfang 2016 in das bayerische Datenschutzgesetz ein allgemeines Auskunftsrecht der Bürger hineingeschrieben, das allerdings zahlreichen Restriktionen unterliegt und letztlich den Geist des Obrigkeitsstaates atmet (Art. 36 BayDSG).

Nein, diese Gesetzesnovelle beinträchtigt die gemeindlichen Informationsfreiheitssatzungen nicht, meint der Datenschutzbeauftragte Professor Petri. Vor allem seien mit dem allgemeinen Auskunftsrecht die Satzungen nicht außer Kraft getreten.

Die beiden Rechtsnormen existieren praktisch nebeneinander – trotzdem gibt es einen starken Zusammenhang. Das ist der Tenor des aktuellen Datenschutzberichtes von Thomas Petri. Das Auskunftsrecht nach dem Datenschutzgesetz könne weiter reichen als kommunale Satzungen oder auch hinter ihnen zurückbleiben – und umgekehrt. So könne sich der Bürger mit Hilfe des Gesetzes um Informationen des sogenannten übertragenen Wirkungskreises bemühen, während dies die Satzungen nicht einräumen, sondern sich nur auf den eigenen Wirkungskreis der Gemeinde beziehen.

Auskunftsansprüche nach beiden Normen könnten sowohl einzeln als auch nebeneinander bestehen. Das Satzungsrecht kann allerdings das gesetzliche Recht nicht einschränken oder "aushebeln". Die Gemeinden könnten umgekehrt Auskunftsansprüche einräumen, die über die aus dem Datenschutzgesetz hinausgehen.

Die Kommunen könnten aber nicht im "rechtsfreien Raum" agieren, sondern sie müssten die Prinzipien das Daten- und Geheimnisschutzes beachten. Die Gemeinden könnten in den Satzungen Verfahrensfragen regeln, auf die das Datenschutzgesetz nicht eingeht. Beispiele: Bearbeitungsfristen und die Nennung fester Ansprechpartner.

Ergo: Kommunale Informationsfreiheitssatzungen sind durch das novellierte Datenschutzgesetz keinesfalls überflüssig. Ganz im Gegenteil: Die Gemeinden können und sollten eigene Gestaltungsspielräume nutzen – und sich selbst einem anderen Politik- und Bürgerverständnis verpflichtet fühlen, das Transparenz als Basis für rationale Willensbildung betrachtet – und nicht als Bedrohung eines autoritären Staatshandelns, das die Exekutive gegen den frechen, neugierigen und damit unbequemen Bürger abschirmt.

Warum ist das Auskunftsrecht des bayerischen Datenschutzgesetzes restriktiv?

1) Weil die Bürger erst ein berechtigtes Interesse glaubhaft nachweisen müssen.

2) Weil mehrere Generalklauseln nach bewährter Manier die Intention – eine unbürokratische und freizügige Weitergabe von Informationen – ziemlich hinterlistig unterlaufen. Beispiele: Informationen gibt es nur, wenn "Belange der öffentlichen Sicherheit und Ordnung nicht beeinträchtigt werden". Dies ist eine pauschale Einladung, erst einmal Auskunftswünsche abzublocken. Das gilt auch für die Klausel, dass Auskünfte verweigert werden, wenn "Kontroll- und Aufsichtsaufgaben oder sonstige öffentliche oder private Interessen entgegenstehen" – darunter kann praktisch alles fallen, wenn ein Gatekeeper den fragenden Bürger abweisen will.

Weil das noch nicht reicht, gibt es diese restriktive Klausel: Es gibt keine Auskunft, "soweit sich das Auskunftsbegehren auf den Verlauf oder auf vertrauliche Inhalte laufender oder abgeschlossener behördeninterner Beratungen oder auf Inhalte aus nicht abgeschlossenen Unterlagen oder auf noch nicht aufbereitete Daten bezieht oder ein unverhältnismäßiger Aufwand entsteht". Auch diese allgemeinen Formeln im Gesetz können dazu dienen, Auskunftsbegehren zu praktisch jedem Vorgang staatlichen Handelns auszuhebeln.

3) Weil der Fundus der Restriktionen – offenbar unbeachtet von den Medien – munter so weitergeht. Im Gesetz folgt eine Aufzählung der Institutionen, die nicht unter die Kategorie "öffentliche Stellen" fallen, von denen man Auskunft verlangen kann. Ausgenommen sind demnach: der Landtag, der Rechnungshof, staatliche Rechnungsprüfungsstellen, der Bayerische Kommunale Prüfungsverband, der Datenschutzbeauftragte selbst, das Landesamt für Datenschutzaufsicht, die obersten Landesbehörden "in Angelegenheiten der Staatsleitung und Rechtssetzung", alle möglichen Justizbehörden, die Landesanwaltschaft, Disziplinarbehörden, Kammern und Anstalten des öffentlichen Rechts, die Polizei, das Landesamt für Verfassungsschutz, Finanzbehörden, Universitätskliniken, Forschungseinrichtungen, Hochschulen, Schulen, die Landeskartellbehörde, die IHKs und Handwerkskammern und die kommunalen Spitzenverbände (Art. 36 BayDSG).

Also: Von all diesen Institutionen und Organisationen kann keine Auskunft nach dem bayerischen Datenschutzgesetz verlangt werden. Fragt sich nur: Welche Behörden und Institutionen bleiben nach dieser kafkaesken Norm eigentlich noch übrig?

Also: Die Gemeinden sollten alle erdenklichen Spielräume zur bürgernahen und modernen Regelung der Erteilung von Auskünften nützen – es sei denn, sie sind der Meinung, dass "Ruhe die erste Bürgerpflicht" sei und die Bayern am besten so wenig wie möglich aus Politik und Verwaltung erfahren sollen, damit sie erst gar nicht auf die Idee kommen, ihre demokratischen Rechte wahrzunehmen.

WOLF-DIETRICH NAHR